Städte und Steine

Die Menschen leben in Städten und Steinen
in die sie Fenster geschlagen haben.
Für jedes Fenster ein massive Wand:
JEDER MENSCH IST SEIN EIGENES LAND!
An den Wänden steht geschrieben:
„Verhaltet euch ruhig!“
„Empört euch nicht!“
„Seid Patrioten eures eigenen Landes!“
Ein leises Summen in der hintersten Ecke des Verstandes
ist alles, was bleibt.
Die besten Graffitikünstler werden für diese Arbeit engagiert
und ihre Handschrift suggeriert:
Wir wählen unsere Parolen selbst!
(Und stimmt das nicht auch?)

Die Menschen leben in Steinen und Schluchten.
Echten Zwang gibt es keinen
und keinerlei Unwuchten
in diesem Plan.
In jedem Stadtteil stehn / Leitern,
um die Sonne zu sehn,
doch kaum wer benutzt sie.
Die Menschen sagen:
„Die Leitern sind da, das genügt!“
Sie stelln keine Fragen
über die andern hinter den Zäunen.
Und werden Fragen
darüber an sie gewandt,
blicken sie kalt und sagen:
„Unser Boot ist auch voll!“ und
„Jeder Mensch ist sein eigenes Land!“

Die Menschen leben in Schluchten und Tälern
und mutieren zu Wählern,
ein, zwei Mal im Jahr.
Das ist alles.
Ihre Hände sind sauber und die Mauern ihrer Zimmer sind dick
und es gibt immer nur ein Fenster pro Wand.
Jeder Mensch ist sein eigenes Land.
Sie sehen sich nicht,
nur das Summen in der hintersten Ecke des Verstandes irritiert
wenn der Nebel dicht / über der Stadt hängt,
an stillen Abenden ohne Liveübertragungen.

Wer erklimmt die Leitern
bei Morgengrauen?
Wer riskiert es zu scheitern
und klettert doch immer höher?
Nach oben bis zur obersten Sprosse, sieht
die Sonne, die Zäune, weit über das Land…
Jeder Mensch hat es selbst in der Hand.

Sunna, Mai 2014